12 Religionen unter einem Schuldach
Respekt zeigen, Deutsch reden – das hält die Mädchen in St. Josef zusammen
Eine katholische Mädchenschule, an der 40 Prozent der Schülerinnen nicht katholisch sind? Wie das funktioniert, hat das „Fenster“ im Ausbildungszentrum St. Josef in Salzburg-Nonntal erfragt. An der 1908 von „Schwestern vom Guten Hirten“ gegründeten einstigen Schule für benachteiligte Mädchen lernen und maturieren heute Mädchen ab 14 Jahren aus 18 Nationen. Sie bringen 19 Sprachen und zwölf Religionen in die von Kapelle und Kloster umrahmte Schule mit.
Beten: Wie man will
Im Vorjahr wurde die Schule bei einem österreichweiten Wettbewerb als „Ort des Respekts“ nominiert. Respekt ist in der „ausgezeichneten Schule“, wie man sich nennt, das Um und Auf. Es beginnt beim Grüßen. „Ich fühle mich total willkommen, weil wir uns hier alle beim Kommen und beim Heimgehen grüßen“, sagt Stefanie aus der dritten Klasse der Höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe. Das Grüßen ist Pflicht. Delali, deren Eltern aus Togo stammen, schätzt es, dass „jeder respektvoll umgeht und man sich hilft.“ Schülerin Rasia aus Afghanistan freut sich: „Bei so vielen Nationen, da kriegt man eine offene Sicht.“ Dass sie Kopftuch trägt, ist in St. Josef kein Problem. Auch nicht, dass in den Klassenzimmern Kreuze hängen. Die vielen Religionen dürfen in der Schule praktiziert werden, es gibt entsprechenden Unterricht und einen offenen Gebetsraum.
Offen sind auch die Türen des Sekretariats. Beim Lehrerzimmer kann man immer anklopfen. „Auch wenn das anstrengend ist“, so Direktorin Karin Dachs (im Bild kniend). Miteinander zu reden wird in dem alten Schulhaus wie Öl fürs Getriebe gesehen. Läuft der Schulalltag immer wie geschmiert, Frau Direktor? Keinesfalls, gesteht Dachs ein. Bei einer derart bunten Schulgemeinschaft braucht es viel Vermittlung. „Viele Mädchen werden zuhause oder generell nicht gesehen“, so Dachs. Manche fallen negativ auf, um überhaupt aufzufallen. Gemeint ist besonders die einjährige integrative Klasse, die Schülerinnen als neuntes Schuljahr ähnlich wie das „Poly“ absolvieren.
Reden: Auf Deutsch
„Mancher Schülerin musst du fünf Mal nachrennen, damit sie eine Entschuldigung bringt“, schildert die Direktorin. Dass man individuell auf die einzelnen Schülerinnen eingeht, hat die Schule in ihrem Leitbild verankert. Diese Herausforderung nimmt die Lehrerinnenschaft gerne an. Dachs präzisiert: „Hier sind Leute, die hier sein wollen.“
Jede Schülerin hat ihre Geschichte – das berücksichtigen die Lehrerinnen. Auch achte man die Wurzeln einer jeden, denn die gäben Halt, ergänzt die Direktorin. Darum hat man eine religionsübergreifende Schulanfangsfeier in der Kollegienkirche veranstaltet, darum gibt es Kroatisch als zweite lebende Fremdsprache. Mädchen wie Sara (3-HLW) mit bosnischen Wurzeln fühlen sich dadurch „einfach wohl“.
Das Wichtigste bleibt letztlich das Gemeinsame – die deutsche Sprache. Was andernorts mit spitzen Fingern angegriffen wird, machen die Lehrerinnen in St. Josef einfach: Sie fordern Deutsch ein, zum Beispiel, wenn die Mädchen in Teams arbeiten und sich schnell einmal bosnische oder türkische Grüppchen bilden. Alle sollen gut Deutsch lernen und niemand soll ausgegrenzt werden. „Wenn wir Leute ins Land lassen, müssen wir ihnen Perspektiven geben. Bildung bringt Perspektiven“, sagt Karin Dachs. Dass benachteiligte Mädchen lernen und einen Beruf ergreifen können, war und ist der Grundgedanke des Schwesternordens.
Darum bildet St. Josef katholische genauso wie nicht-katholische Mädchen aus. Und eben, als letzte Schule im Bundesland, nur Mädchen.
Von Sabine Tschalyj
Salzburger Fenster 8.5.2018
http://www.salzburger-fenster.at/2018/05/08/12-religionen-unter-einem-schuldach/
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